Diese Woche kamen zwei völlig unterschiedliche Personen mit dem Thema Steinkalb zu mir: eine Kollegin aus Bayern wollte wissen, wie sie ohne Ultraschallgerät möglichst sicher das Vorliegen eines Steinkalbes diagnostizieren kann 🧐 Und eine Herdenmanagerin aus Schleswig-Holstein fragte, wie es sein kann, dass ihre Tierarztpraxis trotz Ultraschallgerät falsch lag mit der Diagnose Steinkalb 🧐😬
Erstens lustig, dass das am gleichen Tag gefragt wurde. Das nennt sich die Duplizität der Ereignisse 👯 und man kennt’s – hat man einmal seit Jahren ein seltenes Thema gehabt, taucht es gleich darauf wieder irgendwo auf. Das hat was mit Statistik zu tun, da habe ich in Mathe wohl nicht so aufgepasst 😆 Wichtig ist, solche Fälle genau zu prüfen, damit man die Häufung nicht überinterpretiert 👌 So wie hier: zwei Steinkälber am gleichen Tag im August, das muss am Wetter liegen?! 💫 Nein, wenn die beiden Fälle an beiden Enden der Nation auftreten ist das ja wirklich nicht viel bei den ganzen Kälbern die jeden Tag in Deutschland geboren werden… Also auf dem Level schon mal Entwarnung, passiert halt 🐮🐮🐮🐮🐮🐮⛰️🐮🐮🐮 Steinkälber sind übrigens auch von anderen Tieren bekannt, zum Beispiel Schweine machen das auch 🐽 Also dass ein Fetus mal stirbt, aber nicht rauskommt, sondern im Muttertier mumifiziert. Dabei wird dann alles Flüssige von der Mutter wieder aufgenommen, die Nährstoffe sind ja noch gut ⚗️ Nur die Knochen und ähnliche feste Strukturen lassen sich nicht resorbieren und die bleiben. Da beim Rind die Trächtigkeit sehr stark vom Trächtigkeitsschutzhormon abhängt (das produzieren die Eierstöcke der Kuh), kann ein totes Kalb sich nicht immer „selbst abmelden“ und muss bleiben 🙈
Mir werden ab und zu Kühe vorgestellt, die schon lange über den Kalbetermin sind, aber noch so gar nicht nach Kalbung aussehen 🥴 Dann stelle ich beim Untersuchen fest, dass etwas großes, schweres in der Gebärmutter der Kuh ist – nur eben kein lebendiges Kalb. Hilfreich ist, dass ich lange dünne Arme habe und meistens Schwarzbunte Patientinnen 🐄 Die sind nicht so breit wie Fleckvieh und dadurch einfacher zu untersuchen 🐂 Wichtig ist auch, dass so eine Kuh ebenerding fest steht, um sinnvoll untersuchen zu können.
Meine Kollegin, deren Patientin vor 5 Wochen hätte kalben sollen, hat erzählt dass sie bei einer Fleckviehkuh in der Liegebox nur fühlen konnte, dass was schweres in der Gebärmutter ist und nach unten in der Bauchhöhle verschwindet 🕳️ Das ist ja schon mal keine gute Grundlage für eine sichere Diagnose 🐂🧗 Allerdings habe ein Techniker schon öfter festgestellt, dass sich da nichts entwickelt und 5 Wochen über der Zeit ist auch seeeehr unwahrscheinlich. Nicht unmöglich, es hat schon Trockensteher gegeben, die versehentlich leer waren und wo ein Deckbulle dann noch ein Kalb reingezaubert hat. Die stand dann sehr, sehr lange trocken 📅 Also menschliches Versagen kommt ja auch vor. In dem Fall hilft nur: ordentlich hinstellen lassen und noch mal versuchen, ob sich die Gebärmutter nicht doch umfassen lässt 🤔🤲 Denn ein Steinkalb ist meistens wie eine dicke fette Frisbee rund und eher platt. Fruchtwasser ist ja weg, das fühlt man auch. Wenn man denn rankommt 🤯 Das war wohl auch das Problem bei der Herdenmanagerin, auf deren Betrieb das Steinkalb kein Steinkalb war, sondern sehr lebendig zur Welt kam. Ihre Kuh hatte zum Trockenstellen noch sehr viel Milch 🥛📈 und sollte deswegen untersucht werden, ob sie überhaupt noch tragend ist. Die Tierarztpraxis kam mit Ultraschallgerät und stellte fest, dass etwas großes schweres drin ist – ob das Kalb lebt, war nicht sicher und nach 21 Tagen bei der Nachuntersuchung das gleiche: die Tierärztin meinte, das Kalb könne nicht leben weil es ja sonst schon wieder hochkommen müsste ➡️ Tja, da bin ich auch schon mal drauf reingefallen! 🙈🙈 Vor einigen Jahren fragte mich ein Landwirt, wann die (offensichtlich hochtragende) Kuh denn wohl kalben würde. Weil das Kalb noch ganz unten lag, hab ich gesagt, dass das noch dauert. Er haute Trockensteller rein und in der Woche danach war das Kalb da – dumm gelaufen 😵
Was lernen wir daraus: nein. WO das Kalb liegt, ist kein sicheres Zeichen! ↗️↙️ Kann heute ganz unten und morgen da sein. Kann wochenlang vorm Ausgang liegen und noch nicht rauswollen. Und ganz wichtig: je weiter tragend, desto ungenauer die Diagnose!! 🤥 Wer genau wissen will, wann der Deckbulle zugeschlagen hat oder welche der beiden Besamungen stimmt, lässt auf jeden Fall vor dem 100. Trächtigkeitstag untersuchen – das ist die Schallgrenze, darüber ist nur noch wildes Raten möglich! Wer was anderes behauptet, hat entweder zufällig Schwein gehabt oder gelogen. Selbst wenn man einen gut messbaren Teil vom Kalb erwischt (Augendurchmesser ist hilfreich 👁️), variiert die Größe bei jedem Tier. Kälber können ja zur Geburt auch zwischen 30 und 60 Kilo wiegen und beides wäre normal.
Fazit: irren ist menschlich, aber rechtzeitig hinstellen hilft 💁🏼♀️🐮😍
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